Reisebericht über eine Reise nach Kinshasa
1. Juli 2013Die bevorstehende Besuchsreise in den Kongo in der „Osterländer Volkszeitung“ vom 05.07.2013
5. Juli 2013Afrika – Kongo – Kinshasa – Maluku; Traum und Unbekanntes gleichzeitig:
Wer kennt schon Kinshasa, geschweige Maluku?
Wer träumt nicht von Afrika? – Wärme, Palmen, Exotik, Robert Redford.
Kongo – Kinshasa – Maluku – Wärme, Palmen und Exotik; aber hätte sich Robert Redford freiwillig nach Kinshasa verirrt?
Eine Reise voller Gegensätze vom 07. – 16. März 2013. Start in Leipzig bei ca. – 3° Celsius. Landung in Kinshasa bei ca. + 30° Celsius gegen 22.00 Uhr. Das aber sind nur die “körperlich“ gefühlten Gegensätze, mit denen man auch rechnet, wenn man vom winterlichen Deutschland in die Hauptstadt des Kongo 500 km südlich des Äquators aufbricht.
Wie werde ich von Menschen in einem Land empfangen, die von Kolonialzeit, Krieg, Armut und dem täglichen Ausnahmezustand geprägt sind; bei denen Tourismus ein Fremdwort ist und “Weiße“ die Exoten sind?
Es war eine Reise voller neuer Erfahrungen und Eindrücke, sowie interessanten, netten Bekanntschaften in “Schwarz – Weiß“.
Welch großartige Leistung Christine und Jürgen Hauskeller während ihrer Arbeit im Kongo und mit dem (Auf) Bau des Waisenhauses vollbracht haben, kann man erst würdigen, wenn man den täglichen “Ausnahmezustand“ – die “Normalität Kinshasas“ – erlebt hat.
Im Grunde funktioniert nichts von dem, was wir als Normalität bezeichnen: Der Großteil der Bevölkerung scheint nicht zu arbeiten, es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel oder eine Post, der Strom ist mal da und mal weg, Müllentsorgung ist unbekannt, die Müllberge, die bei uns auf Deponien liegen, bleiben einfach dort, wo sie hingefallen sind oder der Wind sie hingeblasen hat, Wasser – und Abwasserentsorgung……, ein funktionierendes Schulsystem, die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln… alles sehr schwierig. Die Menschen leben irgendwie… in ihren Hütten und am staubigen Straßenrand… Wir als Europäer werden es wohl nie verstehen.
Das Waisenhaus, welches vorzugsweise mit einem allradgetriebenen Fahrzeug angesteuert werden sollte, liegt mitten in der 10 Millionen-Metropole Kinshasa und zugleich im “ländlichen Bereich“. „Ein Dorf mit 10 Millionen Einwohnern“ – treffender als Jürgen Hauskeller kann man Kinshasa nicht beschreiben. Eine Oase mit glücklich erscheinenden 20 Mädchen und engagierten Mitarbeitern, die für das Wohl, die Erziehung, Bildung, Gesundheit, Lebenstüchtigkeit und Lebensfreude der Kinder sorgen. Auch die von Hauskellers ausgebildeten Mitarbeiter und Evangelisten des Waisenhauses wissen, so mein Eindruck, zu schätzen, welcher Glücksumstand sie traf, im Waisenhaus arbeiten, mit zu gestalten und eine Ausbildung genießen zu dürfen. Auch wenn es in Anbetracht der das Waisenhaus umgebenden Armut und Menschenmassen einen Tropfen auf den heißen Stein bedeutet; die Hilfe unseres Vereins kommt dort sowohl materiell als auch ideell direkt an.
Maluku, ca. 80km von Kinshasa entfernt, nun wahrlich ländlich geprägt – unser 2. Vereinsprojekt. Ich war gespannt, wie sich die baulichen Anfänge dessen, was nach ersten Skizzen von Jürgen Hauskeller in meinem Büro virtuell – aber in Wirklichkeit 8.000 km vom Schreibtisch entfernt – entstand, darstellen.
Nach beginnender Skepsis war ich positiv überrascht – auch Kongolesen können im Mauerwerksverband Stein auf Stein setzen! An dieser Stelle sei der Dank an Dieter Haag, dem Geschäftsführer des Sägewerkes Siforco mit Sitz in Maluku und seinen engagierten Mitarbeitern Franz und Benno gerichtet. Ohne deren materiell und ideell unterstützende Hilfe vor Ort hätten beide Projekte wohl nicht diesen Stand erreicht. Auch das Schul-, Ausbildungs- und Gesundheitsprojekt ist auf einem guten Weg und das Vereinsgeld förderlich angelegt. Besuche in verschiedenen Schulen und die Gespräche mit den Gründer(innen), je zwei Schweizerinnen und ein Kongolese, ließen uns erahnen, welche Hürden noch bis zur Genehmigung des Schulprojektes und den Anfängen des Schulbetriebes zu nehmen sind. Hier ist Beharrlichkeit und Diplomatie gefragt.
Neben unseren netten Gastgebern Anita und Dieter Haag, bei denen wir fürstlich versorgt wurden und ich in abendlichen Gesprächen viel Interessantes über das Leben und die Lebensumstände der Weißen im Kongo erfahren habe, besuchten wir auch kongolesische Familien in ihrem häuslichen Umfeld, die mich das Phänomen “Kinshasa“ hautnah spüren ließen. Neugierige, aufgeschlossene Kinder, skeptische Blicke, herzliche Empfänge; Freude und Dankbarkeit für die Geschenke, unvorstellbare Lebensumstände… Anders auf dem Lande, nach unseren Maßstäben ärmlich aber doch nicht arm. Selbstversorgung und Familienbund scheinen nach alter Tradition noch zu funktionieren. Aber auch hier geht das Bestreben in Richtung Stadt. Das Leben auf dem Land ist mühsam. Die “Metropole“ Kinshasa wird weiter wachsen und damit auch ihre Probleme, Krankheiten und Müllberge. Wir werden es nicht aufhalten können. Unsere Projekte sind der Tropfen auf den heißen Stein, oder einer der wenigen angespülten Seesterne, die mit menschlicher Hilfe wieder zurück ins Meer finden. Es lohnt sich, dafür zu arbeiten!
Der Virus Afrika – Kongo – Kinshasa – Maluku – hat mich befallen und ich werde im Sommer zusammen mit meiner Tochter und Familie Hauskeller erneut nach Kinshasa/Maluku reisen, um den Fortschritt des Schulprojektes zu verfolgen und das Land vielleicht ein Stück weiter und besser verstehen zu lernen – ein Land so reich und doch so arm.
Und Robert Redford alias Denys Finch Hatton? Abenteuerlust, Idealismus, aber auch Geldgier haben schon seit Jahrhunderten Europäer nach Afrika gelockt. Die Story “Jenseits von Afrika“ ist mehr als 100 Jahre alt. Europa und Afrika sind in dieser Zeit weit auseinander getriftet. Afrika ist auf bestem Weg, die Müllhalde Europas zu werden. Nur durch Akzeptanz der gegenseitigen Kulturen scheint es möglich, vom Reichtum des Kongo und Afrikas gemeinsam zu profitieren.
Hilfe bei den Hilflosen, den Kindern, insbesondere den Mädchen, und Bildung – sind aus meiner Sicht der richtige Weg. Ob die Afrikaner, die Kongolesen den Weg in die Normalität finden? Vielleicht erfahren es meine Urenkel.
Dietlind Frenzel