Neue Besuchsreise in den Kongo
1. Juli 2013Meine Reise nach Kinshasa
1. Juli 2013Bevor man das erste Mal in den Kongo reist, hat man gewisse Vorstellungen wie solch ein Land ist. Diese sind geprägt von Klischees wie zum Beispiel unglaublicher Armut, Korruption, ständiger militärischer Präsenz, schwüler Hitze und Regenwald. Vor meiner ersten Reise habe ich viel über dieses Land gelesen und auch viel darüber gehört. So war ich vorbereitet und hatte auch eine gewisse Erwartungshaltung.
Am 8. März 2013 landete ich auf dem berüchtigten Flughafen N’djili in Kinshasa. Als ich aus dem Flugzeug stieg, schlug mir eine Hitzewelle entgegen. Meine Wintersachen aus Deutschland waren bei ca. 30°C um 22.00 Uhr definitiv zu warm. Obwohl es von der Gangway bis zum Terminal nur wenige Meter waren, und ich diese auch zu Fuß hätte zurücklegen können (so war es wohl auch in der Vergangenheit), wurden alle Passagiere mit einem Bus zum Terminal gefahren. Im Terminal waren mindestens so viele Polizisten, Militärs, und sonstige Offizielle wie Passagiere. Trotz dieses Verhältnisses fühlte ich mich keinesfalls sicherer.
Erstaunlicher Weise verliefen die Passkontrolle und die Kontrolle des Impfausweises schnell und reibungslos. Auch die Koffer waren mit Hilfe eines „Chef de Protocol“ schnell vom Band geholt. So stand ich ca. 30 Minuten später, ohne irgendeine „Gebühr“ gezahlt zu haben, vor dem Flughafen. Ich war positiv überrascht. Vor dem Flughafen wartete schon der Fahrer, der die Koffer verstaute und dann zügig den Boulevard in Richtung Stadtzentrum nahm. Die Straße war 8-spurig und sehr gut ausgebaut. Eine Bauleistung der Chinesen, die im Gegenzug vom kongolesischen Staat Abbaurechte für Kupfer- und Coltan erhalten. In der Dunkelheit konnte man die Armut links und rechts am Straßenrand nur erahnen. Tausende Menschen wuselten wie geschäftige Ameisen im schummrigen Licht vereinzelter Glühbirnen und Öllampen. Unsere Fahrt ging nach Macampagne, einem Wohnviertel der Weißen und reichen Kongolesen. Das Leben dort hinter hohen Mauern und Stacheldraht hatte nichts mit dem wahren Leben und dem täglichen Kampf ums Überleben in Kinshasa zu tun.
Wir verließen dieses Paradies jeden Morgen, um uns den Tag über den zwei Projekten des Vereins zu widmen. Da ist erstens das Waisenhaus für Mädchen im Stadtteil Kisenso. Die Fahrt dorthin war jedes Mal aufs Neue sehr abenteuerlich. Nachdem wir nach einer halben Stunde Fahrt die relativ guten Straßen verlassen haben, ging es dann ca. 20-30 Minuten eine Buckel – und Schlammpiste entlang. In dieses Viertel schafften es nicht mehr die umgebauten Kleintransporter aus Europa, die im Kongo als Taxi-Busse verwendet wurden und 25-30 Personen transportierten. Dort fuhren nur Allrad-Fahrzeuge und Motorrad-Taxis, die außer dem Fahrer auch noch zwei bis drei weitere Personen mitnahmen, und natürlich die LKWs der Brauerei, die die kleinen Kneipen belieferten. Links und rechts der Straße türmten sich Müllberge vor den Häusern und kleinen Geschäften. Überall lag verstreuter Plastikmüll. Die Kongolesen schien dies nicht weiter zu stören, sonst hätten sie den Müll beseitigt, anstatt unter einer Palme zu sitzen. Das Waisenhaus liegt sehr versteckt hinter Plamen und Sträuchern an einer Bahnlinie. Das Grundstück ist von einem hohen Bretterzaun eingezäunt und beim Betreten wird das tägliche Chaos einfach draußen gelassen. Das Waisenhaus ist klein, doch es ist zweckmäßig eingerichtet, und es bietet Platz für zwanzig Mädchen. Die Mädchen werden von sieben engagierten Mitarbeitern betreut. Wenn die städtischen Wasserwerke Wasser liefern, gibt es dort sogar zwei funktionierende Duschen und zwei WCs. Außerdem gibt es Vorratsbehälter für 2000 Liter Wasser, für den Fall, dass die Lieferung mal unterbrochen werden sollte. Da zum Zeitpunkt unseres Besuches schon seit zwei Wochen kein Wasser mehr lief, waren auch die Behälter leer. So mussten die Mädchen jeden früh vor der Schule einen weiten Fußmarsch zurücklegen, um in Eimern Wasser zum Kochen, Wäsche waschen und für die Toiletten heran zu holen. Strom gibt es auch nur zeitweise für ein paar Stunden. Wasser und Strom, was für uns Deutsche selbstverständlich zum Leben dazugehört, ist für die meisten Kongolesen ein wertvolles Luxusgut. Gekocht wird auf einem offenen Holzkohlefeuer unter freien Himmel.
Die Mädchen besuchen eine staatliche Schule im gleichen Stadtteil. Das Niveau dieser Schule ist nicht mit einer europäischen Schule vergleichbar. Dort besuchen 40 Schüler eine Klasse. Es gibt so gut wie keine Lehrbücher, keine Lehrmittel und auch keine Fachkabinette. Der Schulbetrieb wird im Schichtsystem durchgeführt. So haben mehr Kinder die Möglichkeit eine Schule zu besuchen. Aber nicht nur der Mangel an Schulplätzen sondern auch das Schulgeld stellen für viele Familien eine unüberwindbare Hürde da. Wer das Schulgeld nicht zahlen kann, erhält auch keine Schulbildung. Für die Mädchen des Waisenhauses übernimmt der deutsche Verein die Schulkosten. Das Schicksal der 14-jährigen Angel hat mich am meisten berührt. Sie verließ vor anderthalb Jahren das Waisenhaus freiwillig und kam bei einer entfernten Verwandten unter. Doch da wurde sie schlecht behandelt und zu anderen Verwandten weitergeschoben. Dort lernte sie einen Jungen kennen und wurde schwanger. Nun ist sie mit ihrer kleinen Christiana nach Kinshasa zurückgekehrt, in der Hoffnung Hilfe und Unterstützung zu erhalten, die ihr der Verein natürlich nicht verwehrt. Im Kongo haben junge Mädchen nicht die Möglichkeit, ein Baby legal zu Adoption frei zu geben, oder in ein Mutter-Kind-Haus zu ziehen, wo sie bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes unterstützt werden. Im Kongo muss dies von der Großfamilie geleistet werden. Doch wer hilft Mädchen wie Angel, die keine Familie haben?
Das zweite und neue Projekt ist eine Grundschule in Maluku, 80 km von Kinshasa entfernt. Eine riesige und weit verstreute Buschgemeinde bestehend aus einfachen Lehmhäusern. Im Projekt sollen 6 Klassenräume, ein Schulverwaltungsgebäude mit Wohnungen, ein Ausbildungszentrum und ein medizinisches Versorgungszentrum entstehen. Das Grundstück ist sehr malerisch am Kongofluss gelegen mit Blick auf das Nachbarland Republik Kongo. 4 Klassenzimmer standen schon im Rohbau, als wir im März 2013 dort waren. Für kongolesische Verhältnisse war die Bauausführung exzellent. Es gab auch keine großen Abweichungen vom Plan. Angesichts der Tatsache, dass die Arbeiter dort ständig mit der Knappheit der Baumaterialien zu kämpfen haben, entsteht hier eine sehr schöne Schule. Auch wenn der Bau solch einer Schule eine echte Herausforderung ist, so stellt sich dies doch als relativ leicht dar im Vergleich zu den bürokratischen Hürden, die gestellt werden, um eine Schule im Kongo zu betreiben. Deshalb besuchten wir drei Schulen und ließen uns von den Gründerinnen erklären, wie sie ihre Schule gegründet haben und jetzt betreiben. Die zwei Wochen vergingen wie im Flug. Schnell rückte der Abschied von den vielen Menschen, die ich kennenlernen durfte, und diesem chaotischen und doch liebenswerten Land näher.
Auf diesem Weg möchte ich Jürgen Hauskeller danken, der es mir ermöglichte den Kongo und seine Bewohner kennen zu lernen. Außerdem danke ich Anita und Dieter Haag für die Gastfreundschaft. Dem Fahrer Serge danke ich für das unfallfreie Fahren durch den chaotischen Verkehr und über unwegsame Pisten. Meieli danke ich für die kompetente Übersetzung. Und zum Schluss: Danke an Justin für das leckere Essen.
Grit Neubauer