Freie Praktikumsplätze
27. Januar 2016Satzung
19. Februar 2016
Mehr als ein Jahr lang hatte sich Anna-Katharina Kürschner auf diese „Expedition“ vorbereitet. Nach dem Abitur, das sie im Sommer des vergangenen Jahres an ihrem Wohnort in Markkleeberg abgelegt hatte, wollte sie erst mal weg. „So weit wie möglich, ein bisschen über den europäischen Tellerrand hinausschauen.“
Natürlich trug sie sich, wie viele Mädchen ihres Alters, zeitweise mit dem Gedanken, sich als Au-pair-Mädchen zu verdingen, „aber das erschien mir als zu langweilig, lieber wollte ich etwas Exotisches in Angriff nehmen. Und da ich ohnehin seit Langem von Afrika absolut fasziniert bin, stand die Richtung alsbald fest. Zumal ich mich während der Gymnasiumsjahre für Französisch als Fremdsprache entschieden hatte, das sich in vielen Ländern des Kontinents noch heute für machbare Verständigung eignet.“ Nachdem sich die damalige Schülerin verschiedenste Organisationen näher besehen hatte, deren Angebote sie nicht endgültig überzeugen konnten, brachte ihre Mutter, die als Musiklehrerin am Spalatin-Gymnasium wirkt, sie auf den Gedanken, mit dem Altenburger Ehepaar Hauskeller Kontakt aufzunehmen. „Genau die richtige Idee, denn dieser Verein, Hilfe für Menschen im Kongo e. V.‘ hat etwas Besonderes: er ist so klein, privat, familiär geführt, dass alle Aktivitäten überschau- und nachvollziehbar und transparent sind, und sämtliche Gelder fließen direkt in den Kongo.“ Die nach und nach gewonnenen Einblicke, die Gespräche mit Christine und Jürgen Hauskeller, die den Verein leiten, überzeugten Anna-Katharina Kürschner.
Nach vielerlei Vorbereitungen ging’s los. „Am 28. Juli flog ich, gemeinsam mit Hauskellers und einer Fülle an Spenden und Hilfsgütern in unserem Gepäck, nach Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, mit mir neben anderen zwei weitere Praktikantinnen aus Limbach- Oberfrohna, die ich vorher nicht kannte. Aber wir haben uns in den folgenden Monaten sehr gut verstanden, und ich beneide sie regelrecht, dass sie jetzt noch immer dort sein können.“
In den ersten Tagen lernten die Mädchen die vom Verein betriebenen Einrichtungen kennen – ein Waisenhaus in Kinshasa, ein weiteres in Maluku, das gerade kurz vor der Einweihung stand, und eine Schule in Maluku, jenem Dörfchen rund 80 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegend. An diesen drei Einsatzorten waren die Praktikantinnen nunmehr gefragte Partnerinnen. „Zu tun gibt es immer reichlich, die Möglichkeiten, kreativ zu werden, sind vielfältig“, fasst Anna-Katharina Kürschner das Terrain zusammen. „Außer chronischem Geldmangel gibt es keinerlei Begrenzungen, man konnte sich also voll in vielerlei Aufgaben stürzen.“
Neben der Beschäftigung mit den Kindern in den Waisenhäusern und der Schule initiierte Anna-Katharina Kürschner selbst ein eigenes musikalisches Projekt. „Ich stamme aus einem musikalischen Elternhaus, spiele selbst seit meiner Kindheit Klavier und seit der dritten Klasse Querflöte, da lag es für mich nahe, meine musikalischen Ambitionen mit den Naturtalenten der kongolesischen Kinder zu verbinden.“ Sie gründete einen Schulchor, dessen Mitgliederzahl rasch auf rund 40 junge Sängerinnen und Sänger anwuchs, mit denen sie fortan einmal wöchentlich nach dem offiziellen Unterricht probte.
Eine Premiere vor Ort, denn Nachmittagsangebote für die Schüler sind im Kongo die absolute Ausnahme. Als Studienliteratur auserwählt hatte Anna-Katharina Kürschner das bezeichnenderweise „Hoffnung“ überschriebene Lied eines Kongolesen und zwei deutsche Weihnachtslieder: „Stille Nacht“ und „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, die zunächst auf Deutsch, später auf Französisch einstudiert wurden.„ Wir haben schließlich zwei Konzerte gegeben, und als meine Mutter mich zu Weihnachten im Kongo besuchte und eine der Aufführungen erlebte, bestätigte sie uns, dass die Texte gut zu verstehen gewesen seien.“ Für die Begleitung hatte sich Anna-Katharina Kürschner der Unterstützung eines kongolesischen Musikers versichert – und ansonsten musste sie nur auf jene bereits erwähnten Naturtalente vertrauen: „Getrommelt wird allerorten, und die Kinder hatten im Handumdrehen Schulbänke und die Tafel zu Instrumenten erkoren und steuerten damit Rhythmus und Sound bei.“
Von diesen und vielen, vielen anderen Erlebnissen während ihrer 160 Tage im Kongo hat die nunmehr 19-Jährige umfassend berichtet – in ihrer inzwischen legendären „Post aus Afrika“. Jede Woche dienstags sandte sie zwei Din-A-4-Seiten mit Eindrücken, Erfahrungen und Alltagsschilderungen per E-Mail nach Deutschland. „Absichtlich wollte ich keinen Blog führen, ich wollte persönlich schreiben, eben in Briefform, und da ich ohnehin gerne formuliere und auch mit Kurzgeschichten bereits Preise gewonnen habe, kam mir diese Form sehr entgegen.“ Anfangs war jene Post eher für den engeren Familien- und Freundeskreis gedacht, doch die Liste der daran interessierten Empfänger wuchs rasch von anfänglichen 50 auf über 500 – und das Ehepaar Hauskeller trug seinerseits dazu bei, diese Schilderungen weiterzuverbreiten an all diejenigen Menschen, die dem Verein angehören oder ihn deutschlandweit aktiv unterstützen.
Zurückgekehrt aus dem Kongo zu Beginn dieses Jahres hat Anna-Katharina Kürschner inzwischen bereits auch an verschiedenen Orten persönlich von ihrem Praktikum berichtet, so unter anderem vor drei Schulklassen und bei den kürzlich abgehaltenen Mitgliederversammlungen des Vereins „Hilfe für Menschen im Kongo“ in Sondershausen und in Altenburg. Und weitere Interessensbekundungen liegen bereits vor, so von der evangelischen Kirchgemeinde in Markkleeberg, der die junge Frau und ihre Familie angehören.
Auf diese Weise jene fünf intensiv erlebten Monate Revue passieren lassen zu können, das freut Anna-Katharina Kürschner. „Ich bin wirklich froh, dass ich das gemacht habe, und ich kann jedem nur empfehlen, in den Kongo zu reisen, ich würde es jederzeit wieder tun. Es überwiegen für mich die positiven Lebenserfahrungen, und vor allem bin ich stark beeindruckt von jenen Menschen, die wirklich absolut nichts haben und dennoch glücklich sind mit ihrem Leben, sie feiern es an jedem Tag.“
Ralf Miehle
Original Zeitungsbericht aus der Osterland Sonntag224.35 KB
Kontakt zum Verein unter Tel. 03447 511399 oder www.hilfe-im-kongo.de.