Die bevorstehende Besuchsreise in den Kongo in der „Osterländer Volkszeitung“ vom 05.07.2013
5. Juli 2013Praktikum im Waisenhaus in Kinshasa
1. Dezember 2013
Ein ungewöhnlicher und unvergesslicher Sommer im Kongo
Bericht einer Reise von Familie Hauskeller, Mitgliedern des Vereins und anderen zu den Projekten in Kinshasa und Maluku im Sommer 2013
1.Teil
Eigentlich wollten wir im Sommer, wie alle anderthalb Jahre, als Familie mit unseren Kindern in den Kongo fliegen. Wir wollten dort unsere Projekte besuchen, alte Freunde wiedersehen und unseren Kindern aufs Neue ihr Herkunftsland nahebringen. Aber dann meldeten sich nach und nach immer mehr Leute, die den Wunsch äußerten, uns auf unserer Reise zu begleiten.
Drei Schülerinnen des Christlichen Spalatin-Gymnasiums Altenburg, die gerade ihre Seminarfacharbeit über unseren Verein und seine Projekte in der Demokratischen Republik Kongo schrieben, hatten die Idee, mit uns in den Kongo zu fliegen, um alles vor Ort zu erleben. Eine Soziologiestudentin fragte an, ob sie unser Waisenhaus in Kinshasa kennenlernen könnte, um zu sehen, ob sie es sich zutrauen kann, dort ein halbjähriges Praktikum zu machen.
Am Ende waren es neun Personen, die unsere fünfköpfige Familie während unseres Aufenthaltes im Kongo für eine, zwei, drei, vier oder die ganzen fünfeinhalb Wochen begleitet haben. Ein halbes Jahr haben wir die Reise in den Kongo vorbereitet.
Die Unterbringung für insgesamt vierzehn Personen in Kinshasa und an anderen Orten und der Transport der Gruppe innerhalb Kinshasas und bei geplanten Exkursionen ins Land stellte eine große Herausforderung dar. Die Demokratische Republik Kongo ist kein Land, in das man reisen und einfach einmal Urlaub machen kann. Was auf den Märkten oder in den Restaurants zum Essen angeboten wird, ist nicht sehr vielseitig, aber gut zu essen. Mit Bananen und Baguettes, die es überall gibt, kann man überleben. Ein bisschen Französisch möchte sein und eine Flasche gefiltertes Wasser sollte man auch immer dabei haben. Aber es fehlen touristische Strukturen. Da geraten das Reisen mit altersschwachen und nicht immer verkehrssicheren Verkehrsmitteln und das Übernachten in Gästehäusern ohne niedrigste europäische Standards zum Abenteuer.
Am 13. Juli sind wir vom Flughafen Leipzig aus über Istanbul nach Kinshasa geflogen. Fünfeinhalb Wochen später sind die Letzten am 20. August wieder nach Leipzig zurückgekehrt. Es ist unmöglich, die Reise in allen ihren Einzelheiten zu beschreiben. Die Unterbringung war bei einer Freundin möglich geworden, die schon seit über vierzig Jahren im Kongo lebt, aus der Schweiz stammt und den Sommer in der Schweiz verbringen wollte. Sie hat uns ihr Haus mit Garten großzügigerweise zur Verfügung gestellt. Wir haben in Doppelstockbetten und auf Matratzen auf dem Fußboden unter Moskitonetzen wie in einer Jugendherberge geschlafen. Unsere Verpflegung haben wir selbst mit dem organisiert, was es auf den Märkten in Kinshasa gibt. Bei fast täglichen Stromabschaltungen und bei gelegentlicher Wasserversorgung aus dem Eimer haben wir aber mitten in Kinshasa einen sicheren Rückzugsort gehabt.
Wir sind sehr viel unterwegs gewesen. Wir haben die Stadt Kinshasa bei mehrfachen Touren in alle Richtungen mit Taxibussen und Motorradtaxis entdeckt. Wir sind 650 km weit in das Land mit Bussen und Jeeps westwärts bis nach Muanda an die Atlantikküste gefahren. Tropisches Klima mit kühlen Temperaturen in der Nacht und kräftiger Hitze am Tage, Moskitos und Staub in der Trockenzeit waren unsere Begleiter. Wir haben die fröhliche Lebensart und die großherzige Gastfreundschaft der Kongolesen erlebt. Wir haben aber auch gesehen, unter welchen unglaublich schwierigen Lebensverhältnissen und in welcher unvorstellbaren Armut die meisten Kongolesen leben. Das hat uns betroffen und ratlos gemacht.
Im Vordergrund unserer Reise stand der Besuch unserer Projekte. Gleich am Tag nach unserer Ankunft, am 15. Juli, sind wir zum ersten Mal zum Waisenhaus in Kinshasa-Kisenso gefahren. Die letzten 5 km vor dem Waisenhaus mussten wir vom Taxibus auf Motorradtaxis umsteigen, weil die Straße, obwohl im Stadtgebiet von Kinshasa, so schlecht ist, dass sie nur noch von Motorrädern und Allrad-Jeeps bewältigt werden kann. Immer zu dritt auf dem Motorrad über Stock und Stein, durch Sand und Schlamm, war ein Vergnügen, das wir jedes Mal hatten, wenn wir ins Waisenhaus gefahren sind.
Der Empfang im Waisenhaus war herzlich und sehr bewegend. Unsere zwanzig Mädchen im Waisenhaus hatten noch nie eine solch große Gruppe von Weißen gesehen. Sie waren neugierig und aufgeregt. Sie begrüßten uns mit einem kleinen Programm von Liedern und Spielszenen und sehr schnell war der Bann gebrochen. Die mangelnde Sprachverständigung wurde mit deutlicher Mimik und hilfreicher Gestik ausgeglichen. Erste Kontakte wurden bei Singen, Tanzen und Spielen geknüpft.
Wir hatten insgesamt 11 Koffer mit Geschenken, Kleidung, Spielzeug, Haushaltsgegenständen, Werkzeug, Moskitonetzen, Kuscheltieren, Puppen und Süßigkeiten mit nach Kinshasa gebracht. Das meiste war für die Mädchen und die Mitarbeiter bestimmt. Sie haben sich darüber sehr gefreut. Die Puppen und Kuscheltiere wurden gleich in den Arm genommen. An den folgenden Tagen haben sie die geschenkten T-Shirts und Kleider stolz getragen. Aber auch eine Reihe anderer Familien haben wir vor allem mit Baby- und Kinderkleidung, mit Moskitonetzen, Lampen und anderen nützlichen Dingen unterstützt.
Insgesamt sind wir acht Mal in unterschiedlichen Gruppen im Waisenhaus gewesen. An einer großen Tafel haben wir miteinander Reis und Bohnen, Fufu mit Pondu, dazu gebratenen Fisch aus dem Kongofluß gegessen. Neben dem Singen, Tanzen und Spielen haben wir wichtige Gespräche mit unseren Mitarbeitern im Waisenhaus geführt. Zwei Wandertage haben wir gemeinsam mit allen Mädchen und Mitarbeitern gemacht. Wir sind mit ihnen in das „Paradies der Bonobos“ außerhalb von Kinshasa gefahren. Das ist eine besondere Sehenswürdigkeit. Dort werden vom Aussterben bedrohte Bonobos, eine Affenart, die es nur im Kongo gibt, in einem großen Reservat geschützt und betreut. Danach waren wir am Lac de Ma Vallée, einem wunderschönen See umgeben von einem kleinen Urwald, zu einem Picknick mit Kuchenbrötchen, Bananen, Erdnüssen und Coca Cola.
Ein zweiter Wandertag führte uns in den Zoologischen Garten mitten im Stadtzentrum von Kinshasa. Dort versucht man unter großen Schwierigkeiten, die wenigen Tiere, die man über die 80 Jahre seit der Eröffnung des Zoos retten konnte, zu erhalten. Hilfe ist in Sicht. In der Deutschen Botschaft in Kinshasa haben wir erfahren, dass Vorbereitungen im Gange sind, mit Mitteln und Möglichkeiten aus Deutschland den Zoo Kinshasa zu sanieren, zu rekonstruieren und so auszustatten, dass die Tiere dort einigermaßen artgerecht gehalten werden können. Der Höhepunkt im Zoo für unsere Mädchen aus dem Waisenhaus war, dass sie alle zum ersten Mal in ihrem Leben reiten durften. Stolz haben sie sich hoch zu Ross fotografieren lassen. Überhaupt waren diese Wandertage für unsere Mädchen wichtige Erlebnisse. Sie hatten das alles noch nie gesehen und haben, wie die meisten Kinder in Kinshasa, auch sonst keine Möglichkeit, all das zu erleben. Daher waren sie glücklich und stolz, das alles erleben zu dürfen. Diese beiden Wandertage mit allen Unkosten wie Transport, Eintrittspreise und Picknick haben wir aus den Spendenmitteln des Vereins finanziert und haben damit unseren Mädchen ein tolles und interessantes Ferienprogramm geboten, an das sie lange zurückdenken werden.
2.Teil
Das zweite Projekt unseres Vereins ist der Bau einer Grundschule in Maluku, 80 km von Kinshasa entfernt. Im Januar 2013 ist mit den Bauarbeiten des 1.Bauabschnittes begonnen worden. Als erstes werden zwei Schulgebäude mit je zwei Klassenräumen gebaut. Die Bauarbeiten waren schon ziemlich weit fortgeschritten und standen kurz vor dem Abschluss. Wir waren sehr gespannt darauf, zu sehen, wie sich unser künftiges Grundschulprojekt entwickelt. Drei Mal sind wir in Maluku gewesen.
Wir konnten uns überzeugen, dass die Bauarbeiten kurz vor dem Abschluss standen. Die Maurer waren dabei, in den vier Klassenräumen den Innenputz anzubringen und den Fußboden herzustellen. Inzwischen sind die Arbeiten abgeschlossen. Damit ist der Anfang für das Grundschulprojekt gemacht. 60 000 USD ( 45 800 Euro ) hat dieser 1. Bauabschnitt gekostet. Er ist bisher allein aus Spendenmitteln des Vereins finanziert worden.
Wenn das Grundschulprojekt in etwa ein bis zwei Jahren fertig sein wird, werden wir etwas Modellhaftes geschaffen haben. Das Grundschulprojekt umfasst nicht nur die Schulgebäude, sondern wird durch einen Bereich für Schulspeisung und durch ein kleines Gesundheitszentrum ergänzt. Damit wollen wir erkennbar machen, dass Bildung und Lernen nur im Zusammenengehen mit Ernährung und Gesundheitsfürsorge nachhaltig möglich sind. Hungrige und kranke Kinder können keine guten Lernergebnisse bringen. Bei unseren Spaziergängen in Maluku konnten sich alle von der Armut der Menschen rund um unser Projekt überzeugen.
Mit unseren Freunden in Maluku haben wir die Konzeption des Projektes besprochen und wertvolle Hinweise bekommen, die wir einarbeiten werden. Dabei haben wir entdeckt, dass es von unserer künftigen Schule einen kurzen und schönen Weg direkt an das Ufer des Kongo gibt. An einem kleinen Sandstrand haben wir die Größe dieses gewaltigen Flusses bestaunt, die Piroggen der Fischer und die Lastkähne, die aus dem Landesinneren kommen und flussabwärts nach Kinshasa fahren, beobachtet und in Ufernähe gebadet.
Zurück nach Kinshasa.
Bei unseren Besuchen im Waisenhaus hatten wir festgestellt, dass die Matratzen, auf denen unsere Mädchen schliefen, völlig durchgelegen und kaputt waren. Es musste etwas geschehen. Christine und ich überlegten, wie wir Abhilfe schaffen könnten. Ich habe heimlich die Betten abgemessen. Tags darauf sind wir an der Kinshasaer Matratzenmeile vorbeigefahren und haben uns angesehen, was es gibt und wieviel es kostet. Mit einer Händlerin sind wir dann schnell einig geworden. Wir konnten bei ihr zwölf Matratzen in verschiedenen Größen und Farben zur kompletten Ausstattung des Waisenhauses mit neuen Matratzen für 550 USD ( 420 Euro ) kaufen. Als wir am nächsten Tag mit einem Jeep und den neuen Matratzen vor dem Waisenhaus vorfuhren, kannte die Freude bei den Mädchen und den Mitarbeitern keine Grenzen. Die Überraschung war uns gelungen. Unter großem Jubel wurden die alten Matratzen entfernt und die neuen Matratzen in Besitz genommen. Mit Kuchenbrot, Bananen, Erdnüssen, Cola und Fanta haben wir anschließend ein richtiges Matratzenfest gefeiert.
Während unserer Reise hatten wir einen Termin in der Deutschen Botschaft in Kinshasa. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Kongo, Dr. Wolfgang Manig, empfing uns zu einem informativen Gespräch. Vor allem unsere drei Gymnasiasten hatten eine Reihe von Fragen vorbereitet, die sich bei der Erarbeitung ihrer Seminarfacharbeiten ergeben hatten. Neunzig Minuten hat sich der Botschafter Zeit genommen, um alle Fragen zur politischen und wirtschaftlichen Situation im Kongo und zur Entwicklungshilfeproblematik zu beantworten. Er war erstaunt, dass dieser Kongobesuch für die Jugendlichen die erste Begegnung mit dem afrikanischen Kontinent war. Er fand das sehr anerkennenswert mit den Worten: „Ein Besuch im Kongo – das ist Afrika für Fortgeschrittene!“
Das hatten auf unserer Besuchsreise alle unterschiedlich intensiv wahrgenommen.
In den Kongo zu reisen, ist kein Spaß, sondern eine Herausforderung für alle Sinne, für Verstand und für Gefühle. Es ist eine physische und psychische Belastung, aber auch eine Entdeckungsreise in eine andere Kultur. Eine Reise in ein anderes Lebensgefühl, das bestimmt wird von der Freude am Leben jetzt und hier und von einem scheinbar unzerstörbaren Gottvertrauen inmitten von Hunger, Elend, Krankheit, Gewalt, Not und Tod.
Kongo – das ist Afrika für Fortgeschrittene!